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Erfahrungsberichte: Seamus

Niedergeschrieben und an tate.at geschickt von Sabine, der Mutter von Seamus. DANKE!

Seamus wurde im Jahre 1994 in den USA geboren und wuchs bis zu seinem 6. Lebensjahr auch dort auf. Er wurde von Geburt an zweisprachig (Englisch und Deutsch) erzogen.

Seine um drei Jahre ältere Schwester wurde seinerzeit im Bundesstaate Georgia durch die Grundschul-Psychologin auf Hochbegabung getestet und ist dort als 'hb'-Schülerin verzeichnet.

Auffällig waren an seiner Entwicklung bis dahin gewesen, dass er bereits mit 10 Monaten laufen lernte, dass er im Alter von 4 Jahren ein paar Monate lang in logopädischer Behandlung zubrachte (er brauchte Hilfe bei den 'k', 'g' und 'sch'-Lauten), und dass er ein grossartiges Talent dafür besaß, Leute (besonders seine Mutter) dazu zu bringen, mit ihm Dinge zu tun, die ihn faszinierten und die allein zu bewältigen er von seiner Motorik her noch nicht imstande war.

In der Vorschule (mit 4 Jahren) kommentierte seine Betreuerin einmal, dass er sich im größten Gewühl der anderen kleinen Jungs mit einem Buch etwas abseits setzte und las.

Mit 5 Jahren begann sein erstes Schuljahr, in den USA, der "Kindergarten". Die Kinder lernen dort bereits Lesen, Schreiben und Rechnen, sowie den spielerischen Umgang mit dem Computer. Seamus zeigte hier bald sein großes Potential und wurde als nettes, kluges und aufgewecktes Kind von Lehrern und Schülern gleichermaßen geschätzt.

Im Sommer darauf, kurz nach seinem 6. Geburtstag, folgte unser Umzug nach Europa, in die Niederlande. Wir hatten auf eine Versetzung in ein deutschsprachiges Land gehofft, waren aber guten Mutes und willig, diese uns gebotene Chance, ein neues Land und eine neue Sprache kennenzulernen, auch zu nutzen.

Am ersten langen Wochenende, noch während der grossen Ferien, besuchte unsere Familie ein kleines Weidefest in unserer neuen Nachbarschaft. Unter anderem war eine Hüpfburg aufgebaut, auf die sich unsere Kinder begeistert stürzten. Nach etwa 5 Minuten kam Seamus, den sonst selten etwas erschüttert, weinend zu uns gelaufen: "Die anderen Kinder verstehen mich nicht!!". Weder Deutsch noch Englisch hatten ihm hier geholfen - eine ganz neue Erfahrung. Doch für ein Kind wie ihn auch eine ganz besondere Herausforderung! Nach ca. 4 Monaten sprach er nun also auch noch fließend Niederländisch. Dann fand er heraus, inwieweit der regionale Dialekt hier von 'gehobenem Niederländisch' unterscheidet und sprach fortan nur noch das Letztere.

In der Schule währenddessen, diesmal in der ersten Klasse der deutschen Abteilung der hiesigen internationalen Schule, wehte ein ganz anderer Wind. Zwar war er seinen Mitschülern um Längen voraus, denn er besaß ja bereits alle Lese- und Schreib- sowie Rechen-Anfänge aus dem US-Kindergarten, doch fiel er hier nun bald durch sein angeberisches Verhalten und seine Geltungssucht auf. Zwar meinte der Lehrer bereits nach zwei Wochen, dass Seamus eigentlich in die zweite Klasse gehöre, doch immer wieder hörten wir Eltern dann auch darüber, wie unser Kind ständig den Unterricht störe.

Das war für uns neu! Nach einigen frustrierenden Monaten besann ich mich auf den hb-Test, den meine Tochter noch in den USA gemacht hatte (Dieses Kind war inzwischen in Klasse 4 der deutschen Abteilung einer Art von Mobbing ausgesetzt gewesen und wurde immer trauriger und stiller - nach 7 Monaten entschieden wir spontan, dass wir sie auf die internationale Abteilung wechseln lassen würden. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich bereits die gesamte deutsche Rechtschreibung bis Klasse 4 angeeignet).

Ich recherchierte also selbst und beschloss nach einigen Wochen, Seamus testen zu lassen. Zur Sicherheit wurde er gleich zweimal getestet - von der englischsprachigen Schulpsychologin und von einem deutschen Psychologen, der sich mit hb beschäftigt.

Beide Tests zeigten eindeutige Ergebnisse. "Deutlich über 130", so drückte sich der Psychologe aus.

Nun wussten wir also, warum aus unserem Sohn ein störender Zappelphilipp geworden war - er langweilte sich zu Tode in seiner Klasse mit über 30 Schülern! Was war also zu tun? Die Idee des Überspringens gewann zusehends an Attraktivität. Die nächsthöhere Klasse hatte nur 12 Schüler und eine wunderbar verständnisvolle Lehrerin. Doch war an dieser Schule noch nie ein Kind gesprungen!

Mit Rückendeckung von allen Seiten und der Versicherung, dass er 'zurück' könne, war es dann irgendwann soweit. Nach den Ferien 'sprang' er in die 3. Klasse.

Heute ist Seamus acht Jahre alt und in der 4. Klasse. Er ist weiterhin Klassenbester in Mathematik und kommt in den Wissenschaften und in Musik sehr gut mit, hat aber z. Zt. redliche Mühe mit der Geometrie, da seine Feinmotorik noch etwas Zeit und Übung braucht. Es mangelt nicht an Kritik von Seiten der Lehrer (Schriftbild, Arbeitsverhalten, Ordnungssinn, mangelndes Gespür in sozialen Situationen) und er bekommt einmal in der Woche Nachhilfeunterricht, um manche dieser Bereiche abzudecken. Beinahe hätte es für die Gymnasialempfehlung nicht gereicht.

Bei der anstehenden Fahrradprüfung wird ihm seine fehlende Motorik wohl auch wieder Probleme machen - doch wenn es um Ehrgeiz, Interesse und Anpassungsfähigkeit geht, macht diesem Kind keiner etwas vor! :-)

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